Was ist eine gute OER für kritische Datenkompetenz? Vorbereitungen für das Arbeitspaket „ETH-TECH OER-Entwicklung“

Von
Sigrid Hartong, Ina Sander

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In den letzten Monaten ist das ETH-TECH-Team in das erste große Arbeitspaket eingestiegen. Unter der Leitung der Universität Padua und der Babeș-Bolyai-Universität in Rumänien hat das Team eine umfassende Analyse von Curricula in der Hochschulbildung durchgeführt. Dabei wurde untersucht, in welchem Maße ethische und kritische Perspektiven auf Technologien, Daten und KI bereits Berücksichtigung finden. Zusätzlich haben wir Sensibilisierungsveranstaltungen mit Fakultätsmitgliedern und Studierenden in allen vier Ländern organisiert, in denen die Curricula sowie der Umgang mit Technologie und Ethik diskutiert wurden.

Währenddessen bereiten wir uns an der HSU langsam darauf vor, die Leitung des nächsten großen Arbeitspakets zu übernehmen. Dieses umfasst die Entwicklung von Open Educational Resources (OERs), um die ethische Nutzung von Daten und KI in der Hochschulbildung zu unterstützen. Die Universität Padua wird uns dabei als Co-Leitung begleiten, und wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit dem italienischen Team im Rahmen dieses Vorhabens!

Unsere Forschung in den Bereichen Datafizierung, Technologie und Bildung hat sich in den letzten Jahren auch mit der Untersuchung von OERs befasst (siehe etwa Inas Dissertation über digitale Ressourcen zur Förderung kritischer Datenkompetenz). Darüber hinaus haben wir in verschiedenen Projekten, etwa der Initiative UNBLACK THE BOX  oder SMASCH, eigene OERs für Lehrkräfte und andere Bildungsschaffende entwickelt. Dabei haben wir immer wieder erlebt, wie herausfordernd es ist, eine „gute OER“ zu gestalten, also eine, die nicht nur Wissen vermittelt (zum Beispiel aus der kritischen Datenforschung), sondern im Alltag von Praktiker*innen auch tatsächlich anwendbar ist. Gerade das Nutzbarmachen solcher OERs – insbesondere jener, die nicht auf „schnelles Wissen“ oder einfache Schritt-für-Schritt-Anleitungen ausgerichtet sind, sondern zum Innehalten, Reflektieren und kritischen Ausprobieren einladen – bleibt aus unserer Sicht eine zentrale Herausforderung. Gleichzeitig erkennen wir an, wie viel Kolleg*innen in diesem Bereich in den letzten Jahren bereits entwickelt haben, wie bereichernd es ist, in bestehende OERs zur kritischen Datenkompetenz einzutauchen und sich von diesen inspirieren zu lassen.

Beim Treffen mit unseren ETH-TECH-Partner*innen Anfang 2025 in Padua baten wir alle, ihre favorisierten OERs mitzubringen und zu erläutern, was ihnen daran besonders gefällt. Nach jeder Präsentation diskutierten wir intensiv, welche Elemente der OERs als besonders inspirierend wahrgenommen wurden und warum. Hier einige Einblicke aus der Sitzung:

  1. Die italienischen Partner stellten diesen Data Management Expert Guide vor: https://dmeg.cessda.eu/Data-Management-Expert-Guide/5.-Protect/Ethics-and-data-protection. Wir waren uns einig, dass dieser Leitfaden besonders hilfreich ist, da er Studierenden konkrete Vorlagen bietet, um sich mit Datenethik auseinanderzusetzen. Auch die Struktur der OER ist sehr benutzerfreundlich: Inhalte sind in verschiedenen „Ebenen“ organisiert, die (un)sichtbar gemacht werden können, und die Informationen sind in „verdaulichen Häppchen“ und Stichpunkten gegliedert. Allerdings stellten wir fest, dass die OER nicht in mehreren Sprachen verfügbar ist. In Bezug auf das eher schlichte Layout (schwarz-weiß, wenige grafische Elemente) sahen wir Vorteile bei Barrierefreiheit und Ladezeiten (insbesondere bei schlechter Internetverbindung), fragten uns jedoch, ob das Design nicht dennoch ansprechender gestaltet werden könnte.
  2. Das spanische Team präsentierte drei favorisierte OERs: das Data Detox Kit (https://datadetoxkit.org/en/home/), The Glass Room (https://theglassroom.org/supercharged-by-ai/) und die OER We Need to Talk, AI (https://weneedtotalk.ai/). Die Kolleg*innen berichteten, dass ihre Studierenden diese Materialien sehr gerne nutzen und insbesondere die interaktiven und grafischen Elemente (also nicht nur reiner Lesetext) als besonders ansprechend empfinden. Wir waren uns einig, dass künstlerische Gestaltung in OERs eine viel wichtigere Rolle spielen sollte. Gleichzeitig erkannten wir an, dass PDFs (wie etwa bei We Need to Talk) hilfreich sein können, da sie offline nutzbar und ausdruckbar sind. Wir diskutierten zudem, dass der Umfang von OERs – also wie viel Inhalt sie abdecken sollten – sowohl für ihre Nutzung als auch für ihre Erstellung relevant ist. Daher gilt es im ETH-TECH-Kontext, den thematischen Fokus sehr bewusst zu setzen.
  3. Das Team aus Rumänien stellte die selbstentwickelte PROMIS-OER (https://promis.education/) vor, die aus einem ihrer letzten Projekte hervorgegangen ist. Anders als andere OERs bietet PROMIS eine komplette Kursumgebung, in der Studierende sich mit Fragen der sozialen Inklusion beschäftigen – auf spielerische Weise und in einem kapitelbasierten Aufbau mit zu bearbeitenden Aufgaben. Wir waren uns einig, dass diese OER technisch wesentlich weiter entwickelt ist, als es im Rahmen von ETH-TECH derzeit möglich wäre. Besonders inspirierend fanden wir jedoch die Idee, „Use Cases“ in Form von Aufgaben zu integrieren. Gamification diskutierten wir kontrovers: Einerseits bietet sie großes Potenzial zur Motivation, andererseits verläuft hier eine feine Linie zwischen äußerer Belohnung und innerer Motivation.
  4. Zuletzt präsentierten wir als deutsches Team den EdTechReflektor (https://unblackthebox.org/materialien-ergebnisse/edtechreflektor/) und die SMASCH Labcademy (https://moodle.smasch.eu) – zwei OERs, die wir in den letzten Jahren im Rahmen unterschiedlicher Projekte entwickelt haben. Besonders positiv hervorgehoben wurden von der Gruppe die interaktiven Elemente mit Figuren, die EdTech-Dilemmata erklären (wie etwa „Piet der Pragmatiker“ in der Labcademy), insbesondere zur Vermittlung komplexer Themen. Ebenso inspirierend wurde das „Umdrehboxen“-Design des EdTechReflektor bewertet, das Interaktivität und Flexibilität (durch freie Wahl der angeklickten Inhalte) mit Reflexion kombiniert.

Die Sitzung schloss mit einem Brainstorming darüber, welche Aspekte in der Entwicklung unseres eigenen OERs zu berücksichtigen sind und welcher Workflow sich dafür etablieren sollte, insbesondere, da Beiträge von fünf Partnerinstitutionen aus vier Ländern zusammengeführt werden sollen.

Nach dem Treffen in Padua setzten wir an der HSU das Brainstorming fort und bereiteten die nächsten Schritte für die OER-Entwicklung vor. Basierend auf unseren Lehrerfahrungen der letzten Jahre beschlossen wir, Studierende so intensiv wie möglich in die Gestaltung der OERs einzubeziehen und haben erste Schritte in diese Richtung bereits unternommen.

Zweifellos liegt eine spannende Reise vor uns. Wir halten euch hier in den Stories auf dem Laufenden und freuen uns, wenn ihr weiterhin mit dabei seid!

Das HSU-Team


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